Machos, Machos…
Dass ich bei Daimler Benz innerhalb einer reinen Männerdomäne mit nur einer Handvoll Frauen arbeiten sollte, betrachtete ich zu Anfang noch als Herausforderung, als Abenteuer.
Was es allerdings bedeutete, von den Umkleidekabinen aus, sich quer durch die ganze Halle an den johlenden und pfeifenden Arbeitern der Lackiererei und der Endproduktion vorbei zur Polsterei durchzukämpfen, war tatsächlich schon ein Abenteuer für sich. Die Herren der Schöpfung taten jeden Tag aufs Neue so, als hätten sie just zum ersten Mal in ihrem Leben ein weibliches Wesen gesehen. War ich dann sicher an meinem Arbeitsplatz an meinem angelangt, waren die gierigen Blicke der Männer, die in einer Art Glaskasten der Polsterei, die Autositze herstellten, unübersehbar. Ich nahm es mit Humor, was sollte ich auch sonst tun? Mich über derlei zu ärgern, fand ich zu dumm, denn das Gestarre und Gepfeife meiner Kollegen war ja auch eine unüberhörbare Anerkennung.
Außer den weiblichen Näherinnen gab es auch noch zwei nähende Männer, ein Türke, seines Zeichens Schneidermeister und nebenbei der Pingeligste, der mir bisher untergekommen war – und Cherny aus der ehemaligen Tschechoslowakei, hinterm eisernen Vorhang. Cherney Mitte Zwanzig, hielt sich für einen Womenizer wie fast alle männlichen Wesen in dieser Werkshalle. Mit großer Klappe klagte er über die unzugängliche, spröde Bremer Weiblichkeit. Speziell schien er es auf Verkäuferinnen in Kosmetikabteilungen der diversen Bremer Kaufhäuser abgesehen zu haben. An diesen Damen und nur an diesen, schien er seinen Charme zu testen und zu seinem Leidwesen nicht fündig zu werden.
Eines Tages stand Basti, der einzige Lehrling der Polsterei, verlegen neben meinen Arbeitsplatz und druckste merkwürdig herum. Sonst war er nicht gerade auf den Mund gefallen und nahm denselben auch ziemlich voll. Was war los, was wollte er? Er kam nicht raus mit der Sprache… Sein Gedruckse dauerte an. Ich dürfe aber nicht böse sei über das, was er jetzt sage. Nein, beteuerte ich, ganz gewiss nicht und arbeitete derweil weiter. Mir schwante nichts Gutes. Endlich jedoch rückte er damit raus, dass er sich von einem Kollegen der Polsterei habe schicken lassen, um mir auszurichten, er deutete auf den verlegen grinsenden Türken hinter der Glasscheibe, ich sei so ziemlich das Tollste und Geilste was ihm begegnet sei und wenn er könnte wie er wolle, dann würde er mich….es folgte etwas ganz und gar nicht stubenreines.
Basti sah unsicher auf mich an meiner Maschine eisern weiter Arbeitende herunter und wartete neugierig auf meine Reaktion. Alles hatte ich erwartet, aber nicht das! Ich schluckte schwer. Was sollte ich antworten? Konnte ich darauf überhaupt antworten, nein, besser nicht! Ich versuchte, ihn und den mich schief durch die Scheibe Angrinsenden, anzulächeln, als sei nichts geschehen. Sollte ich hier auf die Probe gestellt werden, sollte ich hier veräppelt werden? Was war hier los?
Es verging noch einige Zeit, bis ich kapierte, dass dies was mir da widerfahren war, als eine Art Kompliment gedacht war und dass dies hier halt der Umgangston zu sein schien.
Die nächste Prüfung dieser Art ließ nicht lange auf sich warten. Ein paar Wochen später, ich machte gerade an meiner Nähmaschine sitzend Frühstückspause, fragten mich zwei mir völlig fremde Männer, ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, ob sie sich zu mir setzen dürften. Sie rückten zwei Stühle heran und platzierten sich genau vor mich. Angenehm war mir diese Störung nicht, denn meine Pause hatte ich mir anders vorgestellt. Ich machte jedoch gute Miene zum bösen Spiel. Es dauerte nicht lange und sie rückten ohne große Umschweife mit dem raus, was sie auf dem Herzen hatten: Sie seien Werksfeuerwehrmänner, hätten mich gesehen, mich beobachtet und der eine der beiden wolle mich fragen, ob ich ihn heiraten würde. Bums, das saß! Der Antragsteller schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein, denn er hatte den Antrag ohne die kleinste Unsicherheit vorgetragen. War ich hier im falschen Film, was ging hier ab? Die beiden wirkten jedoch nicht im Mindesten so, als wäre dieser Antrag nicht ernst gemeint. Ich musste mich also wohl damit abfinden, in dieser Männerwelt nur ein Objekt zu sein und dass meine Kollegen darüber hinaus die Polsterei anscheinend als Heiratsmarkt betrachteten.