Woody Allen oder Wattwanderung
An einem nebligen Samstag machten wir uns mit einem weißen winzigen Kombi auf den Weg an die Küste. Es stand ein Kinobesuch, “der Stadtneurotiker” von Woody Allen oder eine Autofahrt an die Nordsee zur Auswahl. Da ich mir seinerzeit, zu meiner Schande, unter Woody Allen nicht viel vorstellen konnte und mir speziell der Titel “der Stadtneurotiker” zu verfänglich erschien, neurotisch war ich schließlich selbst und nicht zu knapp, überredete ich meinen Zukünftigen zu einem Nordseeausflug.
Autofahrten hatten für mich etwas Außerordentliches, etwas Faszinierendes, denn dazu hatte ich seinerzeit nur sehr selten Gelegenheit. Mein Choffeur machte seine Sache recht gut fand ich, er fuhr ruhig und sehr souverän für seine Mittezwanzig, besser jedenfalls als meine Freundin Petra, die stets ziemlich nervös und zappelig an der Gangschaltung ihres Käfers herumriss.
Wir steuerten ein kleinen Ort direkt hinter Bremerhaven an. Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt hatte, aber das, was sich mir da jetzt bot, machte überhaupt keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck, es war ein ziemlich ödes Nest und bestand nur aus ein paar mickrigen uncharmanten Häuschen. Es war das Gegenteil von jeglicher Romantik. Von der Nordsee war weit und breit nichts zu sehen. Enttäuschung machte sich fühlbar bei uns beiden breit, über die wir allerdings kein Wort verloren. Um zur Küste zu kommen war es nötig wieder mal endlos durch die Gegend zu kurven. Endlich am großen Wasser angelangt, war von diesem weit und breit nichts zu sehen, denn wir hatten Ebbe. Was nun? Auf dem einzigen Parkplatz hatten wir jede Menge Platz, wir schienen tatsächlich die einzigen Besucher dieses öden Fleckches Erde zu sein. Keine Menschenseele weit und breit. Da wir nun schon mal hier waren und keiner dem anderen eingestehen wollte, wie mies er alles fand, blieb uns nichts weiter übrig, wenn wir den Ausflug nicht als gescheitert erklären wollten, allen Mut zusammen zu nehmen und ins Watt zu gehen, denn einen Strand, den wir uns zum Spazierengehen gewünscht hatten, gab es auch nicht.
Inzwischen nebelte es nicht nur, nein es hatte auch noch begonnen zu nieseln. Für eine Wattwanderung überhaupt nicht ausgerüstet marschierten wir tapfer los.Vor allem Gummistiefel hätten wir jetzt brauchen können. Ich trug zwar Stiefel aber hochhackige, und in diesem Fall denkbar unpraktische. Dazu auch noch zu allem Überfluß weite modische schwarze Hosen, deren Saum bei jedem Schritt Kontakt mit dem wabernden Schlick aufnahm. Mit anderen Worten sie schleiften durch den Modder. Der Schlick sog unsere Füße bei jedem Schritt sofort ein, so dass wir nur sehr mühsam einen Fuß vor den anderen setzen konnten. Binnen Kurzem sah ich unten herum wie ein Schwein in der Sule aus. Meinem Begleiter ging es nicht anders. Schweigend und verbissen schritten wir trotz allen Widrigkeiten aus. Weit kamen wir jedoch nicht. Die Vernunft ließ uns ziemlich bald das Unmögliche einsehen und so schnell es uns möglich war, zum Ufer zurück zu schlingern. Dort angelangt, säuberten wir nicht wenig frustriert unsere Schuhe an den wenigen Grashalmen,die aufzutreiben waren, setzten uns ins Auto und fuhren ziemlich einsilbibig den Weg über die Autobahn nach Bremen zurück. Gewissensbisse plagten mich, meinen Kotzbrocken zu diesem blöden Trip überredet zu haben. Hätte ich doch um Himmels Willen zugesagt, ins Kino zu gehen, in welchen Film auch immer, sogar der Stadtneurotiker wäre in dem Fall besser gewesen!