Klüngelskerle
…hatten etwas nicht Gesellschaftsfähiges, gleichzeitig aber auch etwas Abenteuerliches und höchst Unkonventionelles. Es waren Männer, die mit Pferd und Wagen noch in den fünfziger und sechziger Jahren im Ruhrgebiet Sperrmüll sammelten und verwerteten, sprich zu Geld machten. Sperrmüllabfuhren im heutigen Sinn gab es noch nicht. Dies übernahmen halt Klüngelskerle. Die von einem meist alten Klepper gezogenen Anhänger, waren voll gestopft mit alten Möbelstücken oder anderen Gegenständen. Dazwischen steckten Säcke, aus denen Kleidungsstücke hingen. Überhaupt waren diese Wagen die pure Unordnung in einer ansonsten ordentlich erscheinenden Welt. Die Wohlhabenderen der entstehenden Wohlstands- und Wegwerfgesellschaft konnten es sich anscheinend schon wieder leisten, Dinge auszusortieren und sich ihrer zu entledigen. Allerdings landeten die dann nicht auf einer Mülldeponie so wie heute, sondern wurden von den nicht so Wohlhabenden aufgebraucht.
Wir jedoch gehörten nicht zu denen, die größere oder kleinere Gegenstände aussortieren, ganz im Gegenteil. Meine Mutter stöberte von Zeit zu Zeit in einem Raum im Keller unseres Hauses nach noch verwertbaren Gegenständen, der dazu diente Sperrmüll unserer Mitmieter aufzunehmen. So wurden wir Besitzer von angekohlten aussortierten Töpfen, Büchern, Sesseln und schließlich auch eines Sofas. Meist allerdings schleppte meine Mutter gebrauchte Oberhemden oder Kleidungsstücke an, allerdings nicht für uns, sondern für die Not leidende Bevölkerung der damaligen DDR. Wir brauchten gewiss keinen Klüngelskerl, denn wir hatten selbst einen in der Familie.