Mein Fahrrad und ich
Seit über vierzig Jahren, seit ich mein erstes Rad erstand, der Marke Ursus, ein Klapprad, bin ich begeisterte Fahrradfahrerin.
Im Sommer 2001 fiel mir dies nicht mehr ganz so leicht mit etwas zu schnellem, unausgeglichenen, zappeligen Puls und einer Körpertemperatur kurz unterhalb 37 Grad. Die Vorboten der Schweissausbrüche und der Hitzewallungen hatten mich im Griff. Aber ich fuhr trotz allem stur weiter bis, ja, bis zu dem Tag im Herbst, als mir mein Rad in einer recht noblen Gegend Bremens während eines Besuchs bei meiner Ãrztin geklaut wurde. Jetzt saß ich wirklich auf dem Trockenen. Das war kein kleiner Schock. Sich beschissen zu fühlen und zusätzlich platt gelegt werden durch ein gestohlenes Rad. Der Hammer musste erst einmal verkraftet werden.
Hektisch begann ich nach einem Ersatzrad zu suchen. Aber immer, wenn man etwas zu übertrieben schnell haben will, klappt es nicht. So auch dies Mal. Ich fand zwar etwas annähernd Gleichwertiges, jedoch musste dieses Rad extra für mich hergestellt werden. Das brauchte Zeit. Kurz nach dieser Entdeckung packte mich eine Grippe mit anschließender Lungenentzündung. Gleichzeitig und anschließend hatten mich die Wechseljahre im Griff.
Zwar überhaupt noch nicht in der Lage Rad zu fahren, bestellte ich beim Fahrradhändler um die Ecke ein Fahrrad. Drei Wochen dauerte es, bis mein Mann es abholen konnte. Ein ganz schlichtes silberfarbenes Rad, mein Fahrrad….. Ich hatte wieder ein eigenes Rad!!!
Das Dumme war nur, ich war noch längst nicht fit genug, um es auszuprobieren und die Strasse einmal auf und ab zu fahren, geschweige denn, eine kurze Tour damit zu machen. Das war zwar schmerzlich, jedoch war das Gefühl, überhaupt wieder ein Rad zu haben viel wichtiger. Es stand da und wartete auf mich, bis ich es wieder benutzen konnte.
Meinem Mann war dies mehr als unverständlich. Ein Rad zu kaufen und einfach nur hinzustellen war für ihn der blanke Irrsinn.
Noch ein ganzes Jahr brauchte es, bis ich im Sommer darauf eines Vormittags den Mut fand, unbemerkt von meiner Familie mich auf mein neues Fahrrad zu setzen und einmal ganz kurz um den Block zu fahren. Das klappte noch ganz gut, ohne viel Schweiß. Ein paar Tage später traute ich mich dann etwa zwei Kilometer zu fahren und schwitzte dabei wie ein Tier. Ich kam völlig schweißnass zu Hause an. Es war ganz schön frustrierend. So schwer es mir auch fiel, ich musste warten, bis es meinem Körper gefiel, weniger Schweißausbrüche zu haben.
Wieder stand mein Rad ein ganzes Jahr ungenutzt herum, bis zum kommenden Sommer, 2004. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fuhr zu meinen Zahnarztterminen einen Kilometer hin und mit einem kleinen Umweg hinterher wieder zurück nach Hause. Das war genau die Strecke, die ich ohne groß unter Wasser zu stehen bewältigen konnte. Mein Mut wurde größer und ich wagte mit meinem Mann zwei sonntägliche Radausflüge, die nicht so glimpflich für mich abliefen und mich wieder zurück warfen. Es war deprimierend. Ich kam mir mehr als bescheuert vor, nicht wie noch ein paar Jahre zuvor normale Strecken bewältigen zu können. Nach jeder Fahrt war ich mehr als erschöpft.
Eines Morgens merkte ich mit Erschrecken, der Fahrradklau hatte wieder mal zugeschlagen, der Platz, an dem mein Fahrrad gestanden hatte, war erschreckend leer. Es war weg! Einfach weg! Ich konnte es zunächst kaum fassen. Wieder hatte ich kein Fahrrad. Es hatte wohl entschieden zu lange unbenutzt in unserem Vorgarten herumgestanden.
Bei eBay ersteigerte ich völlig überstürzt ein neues Rad, mit dem ich nicht klar kam und es schließlich mit dem meiner Tochter tauschte. Der Schock saß.
Ich machte mich also daran, mein neues Rad regelmäßig zu benutzen. Die erste Tour führte mich zum Fahrradhändler, um mir einen Lenkerkorb zu kaufen. Von da an fuhr ich zwei oder drei Mal die Woche kleine Strecken, um mich zu testen und auch meine Kondition ganz, ganz langsam zu verbessern. Ich begann wirklich noch einmal ganz von vorn mit dem Radfahren und es klappte plötzlich irgendwie. Ich verlägerte meine Touren Stück für Stück. Mal ging es besser, mal schlechter. Wenn es mir zu anstrengend wurde und wird, gestatte ich mir mein Fahrrad ein kürzeres oder längeres Stück zu schieben.
Inzwischen bin ich sportlicher denn je. Drehe täglich, wenn es das Wetter zulässt meine Touren und sie werden immer länger. Ich habe mir mein Fahrrad zurück erobert.
Jetzt zum Schluss noch etwas Grundsätzliches zum Sport in den Wechseljahren. Sportliche Bewegung ist wirklich sinnvoll, jedoch hat alles, wie meine Geschichte glaube ich deutlich gemacht hat, seine Zeit. Jemand, der bei jeder Gelegenheit vor Schweiß trieft und dessen Kreislauf auch ohne körperliche Bewegung auf Hochtouren läuft, hat bestimmt keinen Spaß an Sport und auch keine Energie zu größerer körperlicher Betätigung und sollte dies dann auch unterlassen. Schweißausbrüche werden auch nicht verhindert oder weniger durch Sport, welcher Art auch immer. Im Gegenteil, Sport ist erst dann möglich, wenn der Körper nicht schon durch Hitzewallungen und Schweißausbrüche auf Hochtouren läuft.
Mit anderen Worten, ich konnte deshalb mit dem regelmäßigen Fahrradtraining beginnen, weil meine Hormonumstellung schon so weit gediehen war, dass mein Körper mir dies gestattete. Mein Organismus gerät, während meiner Touren immer noch mal mehr, mal weniger stark in Wallung, besonders in der warmen Jahreszeit, aber dies hält sich insgesamt in Grenzen, was es vor ein paar Jahren noch nicht tat.