Vier Tassen aus Bunzlau
Vor vielen Jahren bekam ich von meinen Eltern, wir lebten seinerzeit auf dem Prenzelberg in Ostberlin, zu meinem fünften Geburtstag ein Kinderservice aus Bunzlau geschenkt. Eine kleine Tasse, eine dazu passende Untertasse und einen Teller. An das Muster, es wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Bekannte mit den Tupfen gewesen sein, kann ich mich nicht mehr erinnern.
Wenn ich viele Jahre später auf Flohmärkten eines Standes angesichtig wurde, der Bunzlaugeschirr feil bot, so zog dieser mich magisch an. Ich musste einfach stehenbleiben und mir das anheimelnd gemütlich wirkende Bauerngeschirr betrachten. Es weckte meine Begehrlichkeit. Am liebsten hätte ich alles aufgekauft, was ich da vor mir sah, mindestens jedoch eine von den bauchigen blaugetupften Teekannen oder einige der Tassen oder besser beides zusammen. Doch hatte ich mich stets im Griff, denn diese wie auch immer Blaugemusterten, glaubte ich, passten nicht in meine Küche, nicht zu meinem übrigen Geschirr und auch nicht zu mir, nicht zu uns.
Immer wieder war ich vernünftig und sagte, nein, wenn sie über mich kommen wollte die Unvernunft.
Vor ein paar Wochen habe ich ihr endlich nachgegeben und mir vier große Tassen, eigentlich Trinkbecher gekauft. Nichts, gar nichts auf der Welt hätte mich davon zurückhalten können. Keine warnende innere Stimme und auch keine von außen. Ich musste sie einfach haben. Mir war klar, was mein Mann sagen würde: “Sie sind blau, sie passen nicht zu uns…!” Es war mir wurscht.
Zu Hause standen sie dann etwas später auf dem Küchentisch, meine Tassen, die Blauen. Bockig rechtfertigte ich mich, wohl sehend, wissend, es stimmt. Ich wollte es nicht wahr haben, aber dieses wunderschöne phantastisch tiefe Bau würde unter den vielen anders farbigen und gemusterten Trinkbechern ein Außenseiter bleiben.
Eine Lösung musste her!
Ich entschloss mich dazu, jedem von uns eine blaue Tasse zu überantworten, auch mir selbst, für unsere jeweiligen Zimmer. Meine blauen Trinkbecher waren gerettet. Vereinzelt würde es gehen, als Einzelstücke haben und behalten sie ihre Daseinsberechtigung, in Gemeinschaft leider nicht.
Foto: by Barbara Wenzel-Winter