Die Katze in der roten Baskenmütze

“Die Katze in der roten Baskenmütze” Titelgeschichte

Meine Mutter beruhigte die Tatsache, mich im Kindergarten untergebracht zu haben, mich erfüllte es nicht mit Begeisterung. Zunächst glaubte ich noch, der Kindergarten sei eine Schulvariante, doch diese Idee wurde mir sehr schnell ausgetrieben. Es stellte sich rasch heraus, daß ich das älteste Kind in dem winzigen Kindergarten war und daß mir deshalb die Aufgabe zugewiesen wurde, mit den Nonnen gemeinsam die kleineren Kinder zu betreuen. Dies bedeutete, sie zu füttern und wenn sie ihr großes oder kleines Geschäft verrichtet hatten, die Nachttöpfe zu leeren. Mit anderen Worten, ich fungierte als nichtbezahlte Hilfskindergärtnerin.
In der Zeit, wo ich nicht Kinderscheiße und die flüssige Variante entfernen mußte, durfte ich etwas nicht weniger Stumpfsinniges tun, nämlich Buchumschläge aus Pappe anfertigen und diese mit großen Stichen umnähen.
So hatte ich mir den Kindergarten nicht vorgestellt. Ich gehörte nicht zu den still Dienenden. Dies war nichts für ein phantasievolles wissbegieriges Kind wie mich.
Meine Anwesenheit in dieser Einrichtung war deshalb auch nicht von Dauer. Ich jammerte und queeste so lange herum, bis meine Mutter es leid war und mich abmeldete.
Ein Gutes hatte dieser Kontakt mit den Nonnen für mich dennoch gehabt, er brachte mir den katholischen Glauben näher, vor allen Dingen das Drumherum interessierte mich sehr. Meine Langeweile war fürs erste wie weggeblasen.
Ich hatte im Kindergarten einen kleinen Altar samt Blumensträußen, Christus am Kreuz und bunten Marienbildnissen entdeckt. Gelegentlich hielten die Nonnen inne, bekreuzigten sich, knicksten und legten beide Handflächen aneinander. Sie verharrten einige Minuten so, bis sie ihre Arbeit wieder aufnahmen. Ich wußte nichts vom katholischen Glauben, mich faszinierte lediglich der bunte Altar und das Ritual des Betens.
Daß dies alles irgendwie mit dem lieben Gott zu tun haben mußte, vermutete ich schon. Ich muß zur Ehrenrettung der Nonnen erwähnen, daß sie niemals den Versuch starteten, mich, das evangelische Kind zu missionieren, zu bekehren.
Ich versuchte Zuhause sofort auch so einen Altar zu bekommen. Da man so etwas nicht kaufen konnte und ich ihn auch dann aus Geldmangel nicht bekommen hätte, baute ich mir selbst einen…
Ich bat meine Mutter um einen Fußschemel und ein Stück weißen Stoff. Des Weiteren organisierte ich mir zwei Trinkgläser, pflückte mir Blumen und zeichnete mir etwas Marienähnliches und stellte es auf den Schemel, fertig war mein Altar.
Von dem Moment an spielte ich nur noch “Beten “, zelebrierte dieses Ritual so oft ich konnte. Ich war völlig gefangen in diesem Spiel, nahm kaum noch etwas um mich herum wahr.
Mein Altar stand auf unserem ziemlich großen hellen Flur, den ich zum Spielzimmer umfunktionierte.
Dies passierte alles auf sehr engem Raum und ich muß meiner Familie hoch anrechnen, daß sie mich dies, für sie selbst sehr seltsam anmutende Spiel so lange spielen ließ, bis mich meine Lust aufs Beten von selbst verließ.
Als ich eingeschult wurde, war diese Phase weitestgehend vorbei.
Doch auch dies faszinierende Spiel ließ mich niemals meinen geliebten Muzel vergessen, den ich in Berlin hatte zurücklassen müssen.
Ich sehnte mich so sehr nach einer Katze, daß meine Mutter beschloß, mir eine zu besorgen.
In der Organisation irgendwelcher Dinge ein Meister, hatte sie bald einen Wurf kleiner Kätzchen bei einem Bauern entdeckt.
Dies Ganze hatte leider einen gewaltigen Haken, ich sollte allein dorthin gehen und mir ein Kätzchen aussuchen. Dies mir, einem außerordentlich schüchternen und ängstlichen kleinen Mädchen, das sich am liebsten hinter seiner Mutter versteckte.
Jedoch war es die Voraussetzung um an eine Katze zu kommen.
Ich biß in den sauren Apfel und marschierte mit zitternden Beinen los, mir mein Kätzchen abzuholen.
Schüchtern suchte ich mir aus dem Wurf meinen Muzel den Zweiten aus, einen hellgrau getigerten Kater und marschierte nach Hause, ihn sorgsam in meiner roten Baskenmütze transportierend.
Stolz präsentierte ich ihn zu Hause meiner Mutter, hielt ihn ihr in meiner Mütze unter die Nase. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Diese Unachtsamkeit benutzte er und sprang mit einem Satz unter den Küchenschrank. Die folgenden Stunden verbrachte ich damit, meinen kleinen Kater unter dem Schrank hervorzulocken.
Mein zweiter Spielkamerad war der zweijährige Sohn unserer Vermieter, der jedoch blöderweise mehr Interesse an meiner Negerpuppe mit Schlafaugen zeigte, als an mir.
Meine geliebte Negerpuppe war das einzige Spielzeug, das mir geblieben war.
Dem kleinen Burschen hatten es vor allem die Schlafaugen angetan. Ich traute mich nicht, seinen akribischen Untersuchungen Einhalt zu gebieten und mußte mit Entsetzen zusehen, wie er meiner geliebten Puppe die Schlafaugen tief in den Kopf drückte.
Mir blutete das Herz, ob so viel Gemeinheit und lief weinend zu meiner Mutter. Ich dachte, sie könne meine Puppe wieder heil machen, sie reparieren.
Sie konnte es genau wie mein Vater nicht.
Meine Puppe konnte nun nicht mehr schlafen und sah auch etwas merkwürdig aus, jedoch liebte ich sie deswegen nicht weniger.

Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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