Die Katze in der roten Baskenmütze

Der angeknabberte Osterhase…

Irgendwie mußte  ich wohl  eine Unterhaltung meiner Eltern mitbekommen haben, die sich um Geschenke in Form von Schokoladenostereiern und Schokoladen-Osterhasen drehte. Osterhasen und Ostereier aus richtiger Schokolade war für ein Kind aus dem Osten, aus der DDR wie mich, etwas Phantastisches. Im real existierenden Sozialismus Anfang der Fünfziger war für solch überflüssigen Luxus kein Raum gewesen. Hier in der Eifel jedoch war das schon ein wenig anders und es konnte sein, daß der Osterhase  sich dazu hinreißen ließ, einem tatsächlich so etwas zu bringen. Im Alter von sieben Jahren war mir allerdings schon klar, wer bei uns zu Hause tatsächlich hinter dem Osterhasen steckte.  Ich vermutete jedoch, daß nicht nur ich, sondern auch meine kleine fünf Jahre jüngere Nichte Birgit in Berlin diese angekündigten Geschenke zu unserem zweiten Ostern im freien Westen bekommen sollte. In meiner Vorstellung glaubte ich, sie bekäme mehr und vor allem viel Größeres als ich und das durfte nicht sein!
Ich durchschnüffelte in meiner ungebremsten Eifersucht alles und stieß tatsächlich irgendwann auf einen etwa fünfzig Zentimeter großen Schokoladenhasen.
Zunächst war ich eimal baff. Mein erster Gedanke war: ”Den soll bestimmt Birgit bekommen “. Und mein zweiter: “Den tollen Hasen soll sie nicht ganz allein aufessen dürfen, ich will auch etwas davon abhaben!“
Jeden Tag schlich ich mich zum Schrank, schob die Verpackung, das Staniolpapier, beiseite und knabberte mich von Tag zu Tag tiefer in den Hasen, bis da ein nicht zu übersehendes Loch in der Schokolade klaffte.
Der Ostersonntag kam heran und meine Angst vor der Entdeckung dessen, was ich da angerichtet hatte, wurde immer größer.
Ich schlich mit eingezogenem Kopf durch die Wohnung und erwartete ein Donnerwetter, das jeden Moment auf mich niedersausen konnte.
Ich konnte mir nicht vorstellen, daß meine Eltern nichts gemerkt haben sollten. Aber die erwartete Reaktion kam nicht.
Allerdings was kam, war der Ostersonntagmorgen!  Ich begann nach einer allzu munteren Aufforderung, wie mir schien,  die Ostereier  zu suchen und tat es, so als sei nichts geschehen. Was blieb mir auch anderes übrig!
Ich fand  nach und nach alles Versteckte und in einem der Nester,  o Schande auch den riesigen  angebissenen Osterhasen.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, ging zu meiner Mutter und fragte sie scheinheilig, ob denn dieser Hase nicht für Birgit bestimmt sei. Meine Mutter antwortete mit ganz harmloser Miene, nein, Birgit hätte  einen kleineren Schokoladenosterhasen bekommen, das  hätte schon seine Richtigkeit mit dem Hasen, den ich da jetzt in der Hand hielt und ob da irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung sei?
Da sprudelte aus mir all das, was mich so belastet hatte, mit einemmal wie ein gestauter See heraus und ich war unwahrscheinlich froh, es los zu sein.
Meine Mutter schien das Ganze sehr zu amüsieren, denn sie fragte mich, wie ich darauf gekommen sei, daß dieser von mir angeknabberte Hase nicht für mich bestimmt gewesen sei.
Darauf hatte ich keine plausible Antwort und wir beließen es dabei.

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Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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