Ostereier auf der Gardinenstange…

Gelegentlich, was höchst selten der Fall war, machte meine Mutter großrein. Meine Mutter war weiß Gott kein Putzteufel, aber wenn sie sich einmal herabließ dazu, artete dies in eine wahre Putzschlacht aus und es wurde für uns alle in der Familie ungemütlich. Meist war es bei uns aber angenehm staubig, nicht zu sauber aber auch nicht zu schmutzig.

Wenn also meine Mutter Groß rein machte, dann aber gründlich. Teppiche wurden aufgerollt nach unten zur Klopfstange gebracht und ausgeklopft. Der Küchenschrank abgerückt und Reste von Hamsternestern entfernt. Fußboden aufgewischt, Fenster geputzt und Gardinen gewaschen. Mit den Übergardinen war es etwas komplizierter, bzw. mit den Volants an den Gardinenbrettern. Die waren nämlich mit Reißzwecken so in Falten an die Bretter gepinnt, dass sie unsichtbar blieben. Bei der mühseligen Abnahme dieser Volants im Wohnzimmer entdeckte meine Mutter so eines Tages auf der jetzt nackten Gardinenstange, welch Wunder, ein Nest. Sie nahm das Nest in die Hand und entdeckte noch ein größeres Wunder, Schokoladenostereier drin.

Das Nest musste vom letzten oder vorletzten Ostern stammen. Mein Vater, der Vollstrecker des Osterhasen, hatte wohl geglaubt, er hätte ein ganz besonders tolles und sicheres Versteck gefunden. Ohne die Putzorgie meiner Mutter wäre es wohl niemals entdeckt worden.

Als ich von der Schule nach Hause kam, überreichte meine Mutter mir mitten im Jahr, weit entfernt von Ostern, ein Nest mit Schokoladenostereiern.

Mehr Kurzgeschichten in meinem Buch
Storch im Salat
Mit einem Click auf das entsprechende Cover rechts sind Sie bei Amazon und können das Buch erstehen!