Bericht der Armutskonferenz Arm bleibt arm
Stand: 16.10.2015 18:17 Uhr
Armut ist im reichen Deutschland weit verbreitet, und sie hat sich verfestigt. Zu diesem Schluss kommt die Nationale Armutskonferenz in ihrem Bericht. Die Konferenz, der Verbände und der DGB angehören, nennt drei besonders betroffene Gruppen.
Von Thomas Schmidt, WDR, ARD-Hauptstadtstudio
Schon der Name “Schattenbericht” macht klar, dass die Verfasser wenig Freundliches zu verkünden hatten. Im Gegenteil: Frank Hensel, der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, wandte sich mit scharfen Worten an die Regierenden: “Die Notwendigkeit, jetzt nach 2012 erneut einen Schattenbericht veröffentlichen zu müssen, zeigt, dass Armut und soziale Ausgrenzung von der Politik als fast schon unabänderlich hingenommen werden.”
Es sind die Jungen, die Alten und die Alleinerziehenden, die nach dem aktuellen Bericht am meisten unter der Armut leiden: Jedes fünfte Kind wächst in einem einkommensschwachen Umfeld auf, die Hälfte aller Kinder, die von Hartz IV leben müssen, hat alleinerziehende Eltern. Nur für sechs Jahre und nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes, so heißt es im Bericht, gebe es den staatlichen Unterhaltsvorschuss, wenn der andere Elternteil nicht zahle.
Aber auch die Altersarmut greife immer weiter um sich: 2003 seien in Deutschland rund 250.000 Senioren auf Sozialleistungen angewiesen gewesen, mittlerweile müsse man von einer halben Million ausgehen – dennoch sinke das Rentenniveau weiter.
Verfehlte Wohnungsbaupolitik
Verschärft werde die Lage auch durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum – die Folge einer seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung, so Werena Rosenke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe. Mit 335.000 Menschen derzeit ohne Wohnung sei in Deutschland ein Höchststand in den vergangenen zehn Jahren erreicht, 40.000 leben nach Schätzungen gegenwärtig auf der Straße.
Verantwortlich, so Rosenke, seien die Politiker, die die Wohnungsfrage dem Markt überlassen und den Verlust von einer Million Sozialwohnungen seit 2002 nicht verhindert hätten. Allein für sozial Schwache würden aber jedes Jahr 150.000 neue Wohnungen gebraucht, wenn man dem Problem Herr werden wollte: “Wer arm ist und seine Wohnung verliert, hat in diesen Zeiten kaum Chancen, wieder eine Wohnung zu erhalten”, erläutert Rosenke.
Armut in Deutschland wächst
tagesschau 15:00 Uhr, 16.10.2015, Andreas Jöhrens, RBB
Geld ist nicht das Problem
Verschärft würde dieser Missstand nun zusätzlich durch die Versuche der Rechtspopulisten, Zuwanderer und die aktuelle Flüchtlingskrise für den Mangel verantwortlich zu machen.”Wir als Nationale Armutskonferenz werden es aber nicht zulassen, die einen Armen gegen die anderen, also die zugewanderten Armen, auszuspielen”, versichert Rosenke.
Der Bericht fordert von der Bundesregierung, endlich die richtigen Schlüsse aus der sozialen Notlage zu ziehen. Geld sei dabei nicht das Problem: Unter anderem sollten die Milliarden, die in Deutschland jährlich vererbt würden, angemessen versteuert werden. Jetzt sei politische Entschiedenheit gefordert, um Armut konsequenter zu bekämpfen, schreiben die Verfasser. Ihr Bericht trägt die Überschrift: “Zehn Jahre Hartz IV – zehn verlorene Jahre”.