Schnurriger Vierpfoter mit Hintersinn
Heini, von nebenan, der wilde Feger war zwar schön und gut, jedoch war es halt nicht unsere, es war und blieb eben nur die Katze von nebenan. So kam es, als Jutta und Bernd, die Heinieltern, vorschlugen, uns ein Katzenbaby vom Land zu besorgen, wir begeistert zusagten. Eine Woche später hatten wir unseren graugetigerten, noch ziemlich ungeschickt durch die Gegend tapsenden und blöschig, blauäugig dreinblickenden Muzel VI.
Unser Katzenkind stieg sofort einem gerade anwesenden Versicherungsvertreter der uns irgendeine überflüssige Versicherung andrehen wollte, unbekümmert mitten in seinen aufgeklappten Aktenkoffer, und legte sich dort friedlich zur Ruhe.
Als die Kleinkindzeit unseres Katers vorbei war, entwickelte der sich zu einem äußerst humorvollen, schnurrigen Vierpfotler mit viel Hintersinn. Beispielsweise sprang er von unserem kleinen Balkon im Erdgeschoß unserer äußerst überraschten und erschrockenen Mitmieterin älteren Semesters auf den Rücken. Er benutzte sie ganz selbstverständlich als Trittbrett um in den Hof zu kommen. Unten auf dem Kiesboden angekommen, trollte er sich dann gelangweilt, um sich Abenteuer mit anderen Hofkatzen zu suchen. Sobald er Heini angesichtig wurde, flogen regelmäßig die Fetzen. Mit Pixi, der ebenmäßig grauen Kartäuserkatze zwei Häuser weiter, die nur an Fortpflanzug interessiert war, lieferte er sich niemals auch nur den kleinsten Kampf, sie schien ihm zu langweilig zu sein. Einem hartnäckigen Verehrer, einem steingrauen Tigerkater ging er allerdings, warum auch immer lieber aus dem Weg. Der stand des Öfteren draußen vor unserer vollverglasten Balkontür und himmelte unseren drinnen stehenden Kater an. Der hatte vor dem draußen Stehenden solche Muffe, dass er sich vor Angst in die Hosen schiss, ihm entwich des Öfteren ungewollt eine kleinere oder auch größere Menge Stoffwechselprodukte.
Wenn ich mich mit Frau Geisendörfer vom ersten Stock ein Schwätzchen hielt, saß unser Stubentiger kerzengrade auf der obersten Stufe und machte den Eindruck, als schliefe er, Ihm waren die Lider ganz allmählich über die Augen nach unten gerutscht, so als langweile er sich gewaltig. Ließ ich ihn jedoch nur einen kurzen Augenblick unbeobachtet, schlug er sich augenblicklich in die Büsche, besser in die Wohnung der Geisendörfers um sich dort aufs Sofa neben den verblüfften alten Herrn, den Gatten der Frau Geisendörfer zu legen, als hätte er nie etwas anderes getan.
Dieser unsere geliebter Schnurrer nun, war eines Tages verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Wie konnte das sein? Die Welt seiner Abenteuer war bisher ein fünfzig Meter langer Hinterhof gewesen, ein geschlossenes Areal, das keinen Kontakt mit der gefährlichen Strasse zuließ.
Alles war schon zigmal abgesucht, Nachbarn immer wieder vergeblich befragt, Straßen rufend auf und abgelaufen. Hatte man ihn am Ende vergiftet? Unser geliebter Muzel schien für immer verschwunden zu sein. Eine Woche verging, die Zweite, die Dritte und Vierte, nichts, er kam nicht nach Hause.
Als wir ihn wirklich für immer verloren glaubten, hörte ich nach sechs langen Wochen, eines Abends ein ganz, ganz leises Miauen, eher ein Vispern vor der Kellertür, die auf die Strasse führte. Was war das? Mein damals noch nicht Angetrauter meinte, dies sei wenn überhaupt eine fremde Katze, ich jedoch ahnte, dies konnte nur unser schon so lange Vermisste sein. Ich zog den Vorhang zur Tür vorsichtig zur Seite und da sah ich ihn sitzen, die treulose Tomate. Etwas abgemagert, aber er war wieder da, so als sei nichts geschehen. Mit keinem Miauer erwähnte er, wie er vom Hof auf die Strasse gekommen war.