Impressionen

Kälte-Kontakte

Foto: by Maxi Winter

Was macht man, wenn man vor hat einen spontanen Abstecher nach Stade zu machen und das Auto rundum vereist ist? Zunächst erst mal Scheiben von Eis befreien, Als dies notdürftig geschafft war, saßen wir dick eingemummelt im von äußerem Eis befreiten Gefährt und konnten trotz allem nicht losfahren, denn die Frontscheibe war auch von innen vereist und für den ungehinderten Durchblick ungeeignet. Wie bekommt man eine Frontscheibe von innen eisfrei, wenn man die Seitenfenster zum Lüften nicht öffnen kann, weil ebenfalls eingefroren und deshalb unbeweglich sind und die Atemluft sofort wieder an der eben gesäuberten Frontscheibe gefriert? Also einen bisher noch selten begangenen Frevel begehen, Motor anschmeißen und Auto warm laufen lassen. Genau neben uns steht ein Zeitgenosse mit pinkelndem Hund und beobachtet uns durchdringend, besser er glotzt.
“Geh doch zum Teufel, du Ignorant und stell dich gefälligst woanders hin!“ beschimpfe ich ihn lautlos und sage laut zu meiner Tochter, sie solle unser Auto einige Meter weiter entfernt parken, damit sich der Herr nicht „gestört“ fühlen muss. Genau in dem Moment würgt sich der Motor selbst ab, ihm ist es anscheinend auch viel zu kalt und zweitens mag er bei der Kälte nicht mit Gas gefüttert werden. Was nun? Ausflug abbrechen? Ich bin kurz davor, will aber unserem sonst braven Kameraden auf vier Rädern noch eine Chance geben und stellen ihn auf Benzin um. Das mag er jetzt anscheinend lieber und geht auch nur noch einmal aus, bis wir endlich in unserem Zielort eintreffen. Das Wetter trotz klirrender Kälte oder gerade deswegen strahlend schön und der Himmel stahlblau. Längst versöhnt vom etwas strapaziösen Beginn unserer Exkursion, inzwischen photographierend durch die wirklich sehenswerte Innenstadt Stades dackelnd, spricht uns überraschend ein Mann mit gezückter Canon an. Er sei Reporter einer Stader Tageszeitung und suche Bilder von Passanten, die den plötzlichen Kälteeinbruch durch ihr Outfit dokumentierten. Bei uns beiden, die so hübsch sibirienmäßig eingemummelt seien, käme das was er ausdrücken wolle extrem gut rüber, sprach’s, positionierte uns Beide kurzerhand neben dem großen Holzkran am Rande des Hafenbeckens und schoss seine Fotos. So ein Kälteeinbruch hat eben neben einigen negativen auch unverhofft positive Seiten. Es verhilft unter Umständen zu ungeahnten Kontakten.

Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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