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Überproduktion von Fast-Fashion ist ein Riesenproblem nicht nur in Chile sondern weltweit. Auch bei uns landen nicht verkaufte Textilien auf dem Müll….
Die Atacama-Wüste in Chile ist vor allem bekannt, weil sich dort das Riesenteleskop ALMA befindet. Doch inzwischen kennen viele den Ort auch aus einem anderen Grund. Hier gibt es riesige Berge mit entsorgter Kleidung.
Es sind Dinge, die hier nicht hingehören: Zwischen den kargen Dünen der Atacama-Wüste türmen sich T-Shirts und Bermudas in allen Farben, sogar Weihnachts-Outfits und Schneestiefel sind darunter.
Sofia, eine venezolanische Migrantin, zieht eine Jacke aus dem Textilberg: “Ich bin mit meinen beiden Kindern und einem sehr großen Koffer gekommen, aber ich musste auf dem Weg durch Südamerika alles wegwerfen. Ich habe sogar die Decke verloren. Die Kälte nachts frisst uns auf, vor allem die Kinder, es ist schwer auszuhalten.”
59.000 Tonnen Kleidung pro Jahr
Die Kleidung, in der Sofia wühlt, ist Abfall. Chile ist seit langem eine Drehscheibe für gebrauchte und unverkaufte Textilien aus der ganzen Welt. In der Freihandelszone des Hafens von Iquique landen laut Recherchen der Nachrichtenagentur AFP jedes Jahr rund 59.000 Tonnen Kleidung. Was nicht in die Hauptstadt Santiago oder in Nachbarländer Südamerikas weiterverkauft wird, landet in der Wüste.
Chiles einzigartiger Desierto de Atacama wird zur Abfallhalde für Fast Fashion. Moyra Rojas, Regionalsekretärin des Umweltministeriums sagt: “Kein Zweifel, diese Mülldeponien und Textilabfälle sind ein großes Problem für die Umwelt. Sie verursachen oft Brände, das verschmutzt die Luft. Und das betrifft das auch die Anwohner, denn die Deponien befinden sich ganz in der Nähe von besiedelten Gebieten.”
Zwei jungen Frauen auf der Suche nach noch brauchbaren Kleidungsstücken in der Atacama-Wüste in Chile. Bild: AFP
So giftig wie Reifen
Die Textilien sind so giftig wie Plastik oder Reifen. Sie enthalten viele Schadstoffe, beispielsweise durch das Färben, Bleichen oder Bedrucken. Laut einer aktuellen Studie von Greenpeace setzt die Textilindustrie mehr als 70 gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien ein. Das enthaltene Polyester braucht bis zu 200 Jahre, um sich abzubauen, und selbst dann bleiben sogenannte Mikroplastik-Artikel übrig.
Recycling-Firmen – isolierte Initiativen
Auf den normalen Deponien wird diese Art von Sondermüll gar nicht angenommen, sagt Franklin Zepeda. Er hat ein Unternehmen gegründet, das die ausrangierte Kleidung weiterverarbeitet. “Die Textilabfälle entstehen durch den Import der gebrauchten Kleidung. In der Freihandelszone wird sortiert nach hochwertigen und sekundären Kleidungsstücken und Abfall. Das ging früher alles in die Wüste, wir verwenden es jetzt als Rohstoff für unsere Wärmedämmplatten.”
Auch die Gründerin des Unternehmens Ecocitex, Rosario Hevia aus Santiago, recycelt die verwitterten Textilien und stellt daraus Garn her. Doch es bleiben isolierte Initiativen im Kampf gegen ein weltweites Problem: die Überproduktion der Textilindustrie. Zwischen 2000 und 2014 habe sich die weltweite Textilproduktion verdoppelt, das geht aus einem UN-Bericht von 2019 hervor. Mittlerweile ist die Branche für rund 20 Prozent des Wasserverbrauchs weltweit verantwortlich.
Es gibt zwar einige wenige Firmen, die die weggeworfene Kleidung weiter verarbeiten, aber das reicht nicht, um das Problem in Chile zu lösen. Bild: AFP
“Weniger Unnötiges konsumieren”
“Viele Leute kritisieren uns und sagen: Warum verlangt ihr Geld fürs Recycling? Die Antwort ist: Wir müssen den Leuten klar machen, dass Textilabfälle Kosten verursachen und die Umwelt verschmutzen. Was man dagegen tun kann: Weniger Unnötiges konsumieren und Dinge länger tragen. Aber wir sehen ja: Kaum wurde irgendwo ein Lockdown aufgehoben, standen die Menschen Schlangen vor den Filialen von Zara, H&M und anderen Läden, die auf Fast Fashion ausgerichtet sind”, sagt Rosario Hevia.
Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace fordern mehr Druck auf die Textilbranche: “s müsste die Pflicht zum fachgerechten Recycling bestehen. Die Menschen müssen umdenken, sagt Unternehmerin Hevia, und ihr eigenes Konsumverhalten hinterfragen