Sturz durchs Treppenhaus
Ich war nicht sehr oft eingeteilt für irgendwelche Schülerdienste als Schülerlotse und nie als Abholer und Bringer von Filmen der Filmbildstelle. Gelegentlich allerdings hatte ich als Ältere Schülerin mit dreizehn Türdienst. Dies empfand ich als absolute Auszeichnung. Jeweils zu zweit hatten wir die Aufgabe, die grossen Flügeltüren die zu den Schulhöfen führten, vor den Pausen zu öffnen, zu sichern und für Ordnung beim Ein- und Ausmarsch der Schüler zu sorgen. Eine relativ einfache Sache, jedoch, wenn ich mal wieder dran war, schwoll mir die Brust, vor Wichtigkeit, denn ich durfte die Klasse vor dem Ende der Stunde verlassen und brauchte erst wieder in der Klasse erscheinen, wenn die Schulstunde bereits begonnen hatte.
Eines Tages, hatte ich zusammen mit Wilma, einer Klassenkameradin, Türdienst. Alle Kinder, so glaubten wir, seien auf den Schulhöfen, und hatten deshalb wieder die Glastüren geschlossen und mampften, neben der Tür stehend, gelangweilt unsere Brote. Plötzlich hörten wir beide zwei Stockwerke über uns im Treppenhaus das laute Gealbere zweier Jungen: es waren Bernd und Wolfgang, zwei Burschen aus unserer Klasse. Wir riefen zu den beiden hinauf, sie sollten gefälligst runterkommen und auf den Schulhof zu den anderen gehen. Zunächst passierte nichts weiter. Denn warum sollten sie auch auf die Ermahnung blöder Mädchen hören? Dann plötzlich bekam die Sache eine ungeahnt dramatische Wendung. Bernds grinsendes Gesicht tauchte kurz über dem Treppengeländer auf und dann krachte der ganze Bernd zwei Stockwerke tiefer genau neben uns auf den Boden.
Zum Glück war er so gefallen, dass er sofort nach dem Sturz wieder aufstehen konnte. Allerdings war er kalkweiss im Gesicht und musste sich erst einmal völlig perplex auf die unterste Treppenstufe setzen. Wir alle waren ziemlich geschockt nach diesem Treppensturz und uns zitterten die Beine. Wir Mädchen holten schnell unsere Klassenlehrerin. Die schickte denn auch sofort, dem jetzt ziemlich schwindlig gewordenen Bernd zusammen mit seinem Kameraden nach Hause. Er sollte sich unverzüglich mit seinen Eltern in äztliche Behandlung begeben.
Am nächsten Morgen kam Bernd völlig unerwartet wieder zum Unterricht, so als sei nichts geschehen. Er versicherte unserer verblüfften Lehrerin, er sei völlig in Ordnung. Ob ihn denn ein Arzt untersucht hätte? Nein meinte er, er sei bei keinem Arzt gewesen, stattdessen hätte sein Vater ihn bis zehn einmal hin und wieder zurück zählen lassen. Nachdem er dies fehlerfrei bewältigt hätte, wäre sein Vater zu dem Schluss gekommen, sein Sohn könne keinen nennenswerten Schaden davon getragen haben und sich jegliche ärztliche Behandlung daher erübrige.