Die Katze in der roten Baskenmütze

Zwergschule

Nichts war an dieser Schule, dem Lehrer sowie seinen Methoden fortschrittlich, ganz im Gegenteil.
Sie hätten gut ins vergangene neunzehnte Jahrhundert gepasst. Wir saßen eingeklemmt an langen Schultischen, die aufklappbar waren und die mit den Bänken eine Einheit bildeten.
Mein neuer Lehrer war vergleichsweise alt und herrschte mit absoluter Strenge über uns.
Ich sah mit Erstaunen, daß dieser Mann notfalls auch mit einem nicht gerade dünnen Stock seinen Willen bei uns durchsetzten durfte. Allerdings glaubte ich zu Unrecht, daß ich als Mädchen nicht von diesem rigorosen Verhalten betroffen sein würde. Was sich sehr schnell als Irrtum herausstellte.
Eines Tages, nachdem ich während des Unterrichts der neben mir sitzenden Anita leise eine kurze Frage gestellt hatte, sauste ohne Vorwarnung der Stock auf meinen Rücken nieder. Ich bekam gar nicht so schnell mit, was da passierte, saß konsterniert und entsetzt da.
Nicht einmal die Schmerzen waren das Schlimmste, sondern die Tatsache, daß ein Fremder mich ungestraft schlug.
Ich berichtete dies zwar meiner Mutter, doch es geschah nichts weiter. Ich hatte erwartet, daß sie den Lehrer zur Rede stellen würde. Sie tat es jedoch nicht, was mich maßlos enttäuschte.
Den winzigen Schulhof mußten wir uns mit den Hühnern des Lehrers teilen.
Einer meiner Mitschüler inspirierte die Anwesenheit der Hühner zu einer besonderen Mutprobe. Er steckte sich etwas von dem überall herumliegenden Hühnerkot in den Mund und schluckte es hinunter.
Er fand dies wohl ganz besonders toll, wie fast alle übrigen Jungen, die ihn johlend umringten. Mir jedoch wurde schon vom Anblick speiübel.
Eines schönen Vormittags miaute während des Unterrichts etwas ganz jämmerlich auf der Fensterbank vor unserem Klassenfenster und wollte hinein. Es war meine kleine Katze, mein Muzel, der mir zur Schule gefolgt war, und jetzt verlangte, zu mir gelassen zu werden.
Alle Schüler sahen nur noch fasziniert zum Fenster, statt sich auf den Unterricht zu konzentrieren, bis der Lehrer in den Klassenraum hinein fragte, ob die Katze jemandem von uns bekannt sei. Ich meldete mich schüchtern und sagte, es sei meine. Ich hätte ihm soviel Humor nicht zugetraut, aber er meinte freundlich grinsend, ich solle dafür sorgen, daß die Katze vom Fensterbrett verschwände. Was ich auch tat. Ich brachte meinen Muzel so schnell ich konnte nach Hause, um mich danach so unauffällig wie möglich wieder auf meinen Platz zu setzen.
Mein Interesse an allem, was mit Schule zu tun hatte, wurde mir fürs erste in dieser Zwergschule ausgetrieben. Hier gab es ein völlig anderes Schulsystem als ich es bisher kennen gelernt hatte.
Entsprechend schwach waren meine schulischen Leistungen, so schwach, daß der Lehrer meiner Mutter mitteilte, wenn sich nicht Entscheidendes änderte, müsse ich das erste Schuljahr wiederholen.
Entgegen aller Vorankündigungen seitens des Lehrers, wurde ich dann allerdings doch in die zweite Klasse versetzt.

Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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