Die Stopfnadel
Mein ehrgeiziger Vater litt gelegentlich unter der Hexe, einer Verkrampfung seiner Lendenwirbelmuskulatur, wenn beruflich mal wieder etwas nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte. Autoritär, und durch und durch von seiner Arbeit überzeugt, konnte er es nur schwer ertragen, wenn bei einer Arbeitsbesprechung sein von ihm gar nicht geschätzter Vorgesetzter sich das Recht herausnahm, in fertige Baupläne mit einem Rotstift Änderungen hineinzuzeichnen. Er war es gewohnt, als Ingenieur und Bauleiter selbständig zu arbeiten und er hasste Menschen abgrundtief, die sich in seine Arbeit einmischten und ihm zusätzlich seine Baupläne unbrauchbar machten.
Es wäre nun ein Leichtes gewesen, demjenigen sofort zu sagen, was ihm nicht passte, wozu mein Vater aber nicht den Mut besaß. Stattdessen ließ er sich lieber von der Hexe schießen. Der war dann so heftig, dass er nur noch stark nach vorn geneigt gehen konnte und wenn er saß, sich nur mit größter Mühe von seinem Sitz erheben konnte. Im Gegensatz zu dem Geplagten, fand ich das Ganze äußerst amüsant. In völliger Fehleinschätzung der Lage überlegte ich, wie ich meinen Vater Beine machen könnte, um ihn schneller in die Vertikale zu bekommen. Mir fiel eine dicke Stopfnadel ein, die ich zweckentfremden und ihm ganz kurz in die Kehrseite stechen könnte. Das würde ihm sicherlich helfen.
Gesagt getan, ich stach zu. Die Wirkung war aber nicht ganz so, wie ich es erwartet hatte. Mein Vater sprang zwar auf, aber nicht schneller und müheloser als zuvor, er bekam einen knallroten Kopf und statt dankbar für meine Hilfe zu sein schrie er, wie ich dazu käme, ihm hinterlistig in den Hintern zu stechen. Ich stotterte verwirrt, dass ich ihm nur hatte helfen wollen, und verkrümelte mich, so schnell ich konnte.