Storch im Salat

Nitribit im Fleischerladen

Mitunter begleitete ich meine Mutter zu ihren täglichen Einkäufen. Es gab so einige Stationen, die wir in schöner Regelmäßigkeit anliefen. Zum Beispiel waren da das Obst und Gemüsegeschäft, der Bäcker, bei dem meine Mutter nicht nur Brot, sondern auch fast täglich Kuchen, meist Plunderstücken, kaufte. Seltener kaufte sie bei Albrecht, einem ziemlich kleinen Geschäft mit einem Tresen, aus dem später die Aldikette wurde, denn das Angebot war dort nicht gerade üppig.
Regelmäßig allerdings erstand sie Bohnenkaffee im Kaisers Kaffeegeschäft. Auch aus diesen kleinen, eher winzigen, Filialen wurde später ein Konzern. Bei Kaisers wurde es auch für mich endlich interessant, denn es gab hier nicht nur Kaffee, sondern auch jede Menge Süßigkeiten. Gelegentlich fiel hier für mich, je nach meinen augenblicklichen Vorlieben, Nussschokolade oder Himbeerbonbons ab.
Meine Mutter schien in allen Geschäften, die wir anliefen, ein gern gesehener Kunde zu sein, denn sie war meist freundlich und sprühte vor guter Laune. In jedem Geschäft machte sie ihre Späße mit den Verkäuferinnen. Ihr scherzhafter Umgang mit dem Verkaufspersonal, war ein Instrument, das sie virtuos beherrschte. Wohin sie auch kam, sorgte sie für Stimmung. Langweilig war es nie, meine Mutter auf ihren Einkaufstouren zu begleiten. Solange ich nur Zuschauer war und nicht im Mittelpunkt des Interesses stand, konnte es mir nur recht sein. Meine Mutter war das, was man eine Rampensau nennt, sie zog, wohin sie auch kam, sämtliches Interesse auf sich und dies selbstverständlich nicht nur während der Einkäufe.
Manchmal im Sommer konnte ich auch, wenn wir am Eisladen vorbei kamen, eine Waffel mit ein oder zwei Kugeln zu je zehn Pfennig abstauben. Dieser Eisladen allerdings lag jenseits des Fleischergeschäfts und dorthin ging es nur, wenn ein Schuhkauf anstand, entweder für mich oder meine Mutter, aber das passierte äußerst selten. Also kam ich auch nur höchst selten in den Genuss einer Eiswaffel.
Noch weiter, die Gemarkenstrasse hinauf, gingen wir nur noch in der Vorweihnachtszeit und diesmal zusammen mit meinem Vater, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen, genau gegenüber der katholischen Kirche. Das Fleischergeschäft sah meine Mutter fast täglich, denn seinerzeit hatten wir noch keinen Kühlschrank und sowohl Fleisch als auch Wurst mußten schnell verbraucht werden.
Genau hier beim Fleischer stand ich eines Tages ungewollt im Mittelpunkt und hatte meinen Auftritt. Zwei Dinge spielten dabei eine Rolle: Die seinerzeit gerade ermordete Edelprostituierte Rosemarie Nitribit und die allzu rot wirkende, allzu stark mit dem Pökelsalz Nitrit behandelte Räucherwurst. Beides war zur gleichen Zeit zum Skandal geworden. Und beides brachte ich etwas durcheinander, als ich meine Mutter lautstark fragte:
„Mutti, ist in der Wurst da Nitribit drin?“
Ich bemerkte wie Verkäuferinnen und Kundinnen mich anstarrten. Meine Mutter, sonst relativ locker, drehte sich sofort wie angestochen zu mir um, und zischte mir zu, ich solle nicht so laut sprechen, es müssten doch nicht alle im Laden Anwesenden mitbekommen, was ich da gesagt hatte. In der Wurst sei übrigens Nitrit, statt Nitribit. Jetzt hatte sie sich schon wieder gefasst, schien wieder amüsiert zu sein, und grinste still vor sich hin.
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Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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