Storch im Salat

Weihnachtsschnökerei

Ich ließ eigentlich keine Puppe so wie sie war und spielte nicht auf herkömmliche Weise mit ihnen, so wie vermutlich andere Mädchen. Ich zog sie sofort aus und zweckentfremdete sie. Puppen waren im Grunde stinklangweilig. Um so erstaunlicher war es, dass ich mir mit meinen dreizehn Jahren noch einmal eine wünschte. Diesmal sollte es eine richtige Babypuppe sein. Wichtiger waren allerdings die Schlittschuhe. Ich brauchte sie dringend, um mit meiner Freundin Ute mithalten und mit ihr endlich Schlittschuh laufen zu können.
Indes traute ich meinen Eltern nicht recht über den Weg. Ich glaubte nicht daran, dass sie meinem Wunsch speziell in Punkto Schlittschuhe nachkommen würden, denn ich hatte bisher nicht gerade mit überragender Sportlichkeit geglänzt. Ich vermutete, nicht ganz zu unrecht, dass sie diesen Wunsch für eine Schnapsidee hielten.
Kurz vor Weihnachten konnte ich nicht mehr an mich halten und begann alle möglichen Verstecke nach Weihnachtsgeschenken abzusuchen. Ich schnüffelte erst den großen Wandschrank im Flur durch: nichts. Dann im Wohnzimmerschrank und Kleiderschrank meiner Eltern: auch nichts. Ich wurde unruhig und war schon dicht an Panik, als ich ganz hinten auf dem Kleiderschrank mehrere Pakete fand. Mit heftig klopfenden Herzen öffnete ich das Größte davon. Es waren tatsächlich Schlittschuhe, meine Eltern würden mir tatsächlich die ersehnten Schlittschuhe schenken. Die Gedanken rasten in meinem Kopf. Was sollte ich jetzt tun? Ich wusste jetzt ja schon, was ich zu Weihnachten bekommen würde. Sollte ich mich so benehmen, als wüsste ich nichts? Das war wohl das Beste. Bekam ich das aber auch wirklich hin? Jeder musste mir doch sicherlich sofort anmerken, dass ich es schon längst wusste. Gleichzeitig war mir siedendheiß. Ich hatte geschnüffelt, meinen Eltern misstraut. Ich war gemein, ein gemeines hinterhältiges Kind. Aber das Allerfürchterlichste war: was sollte ich am Heiligabend während der Bescherung tun? Ich musste wohl schauspielern, so tun als ob. So tun, als hätte ich die Schlittschuhe zum ersten Mal gesehen. Grauenhaft, schon allein beim Gedanken daran, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Was hatte ich da nur getan? Hätte ich doch nur nie nach den Weihnachtsgeschenken gesucht. Ich beschloss, nie, nie, nie, niemals mehr nach irgendetwas Geschenkähnlichem zu schnüffeln.

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Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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