Storch im Salat

Winterfreundin…

Ich hatte entdeckt, dass sie genauso gerne Schlittschuh lief wie ich, aber  genau wie ich nicht besonders gut. Sigrid war ein etwas unscheinbares dunkelhaariges Mädchen mit Ponny-Kurzhaarfrisur, die ein klein wenig an eine traurige Spitzmaus erinnerte. Von ihrem Wesen her war sie angenehm friedlich, zuverlässig und vor allem gewillt, mit mir Unsportlicher auf dem Eis ihre Runden zu drehen. Dies taten wir einen ganzen Winter lang einmal pro Woche auf der Eislaufbahn der  Essener Grugahalle.  Den Eintritt für diesen Spaß mußten wir selbstverständlich von unserem äußerst knappen Taschengeld selbst bestreiten.
Sigrids Probleme mit ihrem arbeitslosen kränkelnden und körperbehinderten mit einem Buckel behaftetenVater, der von ihr verlangte, dass sie, bevor sie mit mir abdampfte, den Haushalt  ganz allein auf Trab brachte, verstand ich nicht wirklich. Da ihre Mutter verstorben war, lebte sie mit ihm alleine. Er wachte eifersüchtig über seine Tochter und ihre Freizeit. Diese  für mich in intakten Verhältnissen Aufwachsende,  jenseits aller Vorstellungskraft aber gerade deswegen nicht ohne gewisse Anziehungskraft!
Ich holte Sigrid meist von zu Hause ab, weil ihr Vater Wert darauf legte, zu wissen, mit wem seine Tochter unterwegs war. Dies kostete mich schüchterne Dreizehnjährige nicht wenig Überwindung !
Endlich auf der Eisbahn angekommen und die Schlittschuhe an den Füßen, klammerten wir beide uns beim Laufen aneinander wie kleine Äffchen, um auf    der Eisfläche  nicht hinzuknallen. Im großen Strom der sich im Uhrzeigersinn Drehenden angekommen, wurden wir mitgezogen. Nur mußten wir aufpassen  nicht zu langsam zu werden und aus dem Tritt zu kommen, um nicht von den Schnelleren geschubst zu werden.
Eines Tages jedoch, wir hatten schon einige Runden gedreht und vermuteten nichts Böses, bekam ich mit einer Schlittschuhkufe einen Stoß gegen mein Schienenbein. Von dem Stoß selbst, bekam ich zunächst gar nichts mit, erst als ich mit saumäßig schmerzendem Schienenbein auf meinem Hintern saß, ahnte ich, was mir passiert war. Denken konnte ich wegen der starken Schmerzen nicht viel. Ein Junge wollte mich voller Hilfsbereitschaft sofort wieder auf die Beine stellen, um zu verhindern, dass mir noch jemand in dem Gewimmel, zu allem Überfluss noch meine Finger abgefahren wurden.
Ich schüttelte, immer noch benommen den Kopf,  musste abwarten, bis mein lädiertes Bein mich wieder trug. Als ich wieder in der Senkrechten war, klammerte ich mich erst recht an Sigrid fest.
Von da an war mir das Eislaufen vermiest. Misstrauisch beäugte ich alle, die sich mit uns im Kreis Bewegenden auf etwaige Übergriffe.

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Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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