Amerikas Hinterlassenschaft

Es gab bei uns um die Ecke ein Geschäft, in dem Teile des Hausrates verkauft wurden, die die amerikanischen Besatzungssoldaten und ihre Familien zurückliessen, wenn sie wieder in die USA zurück beordert worden waren. Dies Geschäft war so etwas wie ein riesiger Trödelladen, und erfreute sich eines grossen Absatzes, nicht zuletzt dank der tätigen Mithilfe seitens meiner Mutter.
Denn nachdem sie entdeckt hatte, wie preiswert sie dort gewisse Dinge erwerben konnte, wurde sie Stammkundin.
Man konnte sich in diesem Laden, einem American Store, wenn man wollte, seine gesamte Wohnungseinrichtung zusammenkaufen. Meine Mutter erwarb denn auch bedenkenlos Matratzen, die nicht wenige Flecken aufwiesen, Fenstervorhänge, die nicht wirklich zu uns passten, Silberkellen und Silberbesteck sowie einen Staubsauger der Marke Progress und viele andere Dinge.
Der Staubsauger war nun wirklich eine Sensation, denn er war unser erster. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte meine Mutter den Boden unserer Wohnung gefegt, gewischt und die Teppiche, unten hinterm Haus, auf der Teppichstange ausgeklopft. Nun war das nicht mehr nötig, jedenfalls das Fegen und Ausklopfen. Der Progress, eine etwa siebzig Zentimeter lange Röhre mit Schlauch, die man hinter sich herziehen konnte, erledigte diese unangenehmen Tätigkeiten in rasanter Geschwindigkeit. Er arbeitete nicht gerade leise, sah auch nicht besonders modern aus, eher wie eine umgearbeitete Kriegsbombe auf Rädern, aber er war nützlich und sparte Zeit.
Als meine Mutter ihn das erste Mal ausprobierte, beobachtete ich fasziniert, wie sie, einer Fee ähnlich, einen, allerdings höllisch lärmenden, Zauberstab schwang. So ein Saugding war schon klasse. Natürlich wollte ich ihn auch ausprobieren. Nach einigem Zögern, übergab meine Mutter mir das Gerät. Ich schob das Führungsrohr mit der Saugdüse vorsichtig vor mir auf und ab, die Ermahnung meiner Mutter: ” Sei vorsichtig, saug nicht etwas aus Versehen ein.” kam jedoch zu spät, ich hatte schon irgendetwas Längeres, Stoffähnliches, erwischt und das steckte jetzt in der Düse fest. Meine Mutter zog es wieder heraus, nahm mir den Sauger aus der Hand und meinte: “Jetzt lass mich mal lieber weitersaugen.”
Der Staubsauger wurde schliesslich zur Normalität wie ein wenig später auch der erste Kühlschrank und schliesslich die erste eigene Waschmaschine.