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TiSA: Ausverkauf beim Datenschutz

Geheimnisse sind manchmal notwendig, oft nützlich und für manche sehr bequem. Das Geheimnis, von dem Sie nun erfahren werden, ist nicht notwendig, nützlich nur für die Konzerne und bequem für die Politik.

Seit drei Jahren verhandeln Politiker der EU, der USA und 21 weiterer Staaten über das Handelsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement). Es soll Hemmnisse für den internationalen Handel mit Dienstleistungen aus dem Weg räumen. Wie schon bei den enorm umstrittenen Abkommen TTIP und CETA finden auch die TiSA-Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen statt.

Nun stellt sich heraus: Die Geheimniskrämerei hat einen guten Grund. TiSA ist ein Frontalangriff auf den Datenschutz – in Deutschland und ganz Europa. Das zeigen geheime Verhandlungstexte, die Whistleblower Greenpeace zugespielt haben und die wir zusammen mit netzpolitik.org ausgewertet haben.

Europa droht Wettlauf um die schwächsten Standards im Datenschutz

Die geleakten Texte – von Greenpeace Niederlande hier veröffentlicht – führen aus: Datenschutz soll künftig immer dann anfechtbar sein, wenn er ein “Handelshemmnis” oder eine “nicht zu rechtfertigende Diskriminierung” darstellt. Unternehmen wie Google oder Facebook könnten dank TiSA zukünftig leichter Datenschutzbestimmungen umgehen, wenn sie ihre Geschäfte gefährdet sehen. Es genügt schon, dass es nur ein Land weniger genau nimmt.

Wie schon TTIP und CETA schert sich auch TiSA nicht um die Rechte und den Schutz der Bürger. Ausgerechnet das Land mit der schwächsten Regelung beim Datenschutz würde mit TiSA künftig den gemeinsamen Standard setzen. Das aber pervertiert das in Europa bislang geltende Vorsorgeprinzip: TiSA sorgt sich nicht um die Menschen, sondern um die Interessen der Unternehmen.

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Gefahren durch TISA reichen weiter

Eine Abschwächung der Standards beim Datenschutz ist nicht die einzige Gefahr durch TiSA. Das Abkommen stellt auch die Netzneutralität in Frage, gefährdet also den gleichberechtigten Zugang aller Nutzer zum Internet. Und: Aus TiSA erwachsen ganz konkrete Risiken für die Sicherheit der Bevölkerung.

Das Abkommen legt fest, dass die teilnehmenden Staaten von Unternehmen nicht verlangen dürfen, den Quellcode kritischer Software offenzulegen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich mögliche Folgen auszumalen: Regierungen hätten keine rechtliche Handhabe, um etwa zu prüfen, ob die Software eines Atomkraftwerks sicher ist. Oder um sicherzustellen, dass die Software von Internetroutern, über die große Mengen persönlicher Daten fließen, nicht insgeheim Daten an Dritte umlenken. Datenschützern stellen sich beim Lesen der TiSA-Dokumente die Nackenhaare auf.

Konkretes Sicherheitsrisiko durch TiSA

Konkretes Sicherheitsrisiko: Durch TiSA könnte die Software in Atomkraftwerken künftig schlechter überprüfbar sein. Greenpeace-Aktivisten protestierten deshalb am Freitagmorgen am AKW Grohnde gegen das Abkommen.

Transparent – vor allem für die Industrie

Besonders problematisch an den geheimen TiSA-Papieren: Mit ihnen erhielten Unternehmen völlig neue Möglichkeiten, auf nationale Gesetze Einfluss zu nehmen. Ein Kapitel in den geleakten Verhandlungstexten heißt “Transparenz”. Es erklärt, dass TiSA für “interessierte Personen” die Möglichkeit schaffen soll, geplante Gesetze zu kommentieren. Es findet sich jedoch kein Wort darüber, wie Bürgerinnen und Bürger dieses Recht auch praktisch nutzen können und eine demokratische Teilhabe umgesetzt werden kann. Doch genau das wäre wichtig, denn Gesetzgebungsprozesse sind so kompliziert, dass sie ohne die personellen und finanziellen Möglichkeiten von Unternehmen und deren Lobbygruppen kaum durchlaufen werden können. Privatpersonen werden sich mit TiSA kaum mehr Gehör bei der Politik verschaffen können.

In dem geleakten TiSA-Verhandlungstext leistet der Begriff “Transparenz” vor allem eins: Er schafft ein Schlupfloch, um Konzerne frühzeitig über Maßnahmen zu informieren und ihnen Einflussmöglichkeiten zu verschaffen. Das Interesse an echter Transparenz ist überschaubar: Als sich die TiSA-Verhandler im Oktober in den USA trafen, waren reichlich Lobbyisten und Industrievertretern eingeladen – von Gewerkschaftern, NGOs oder Vertretern der Zivilgesellschaft keine Spur.

Pressekonferenz zu den #TTIPleaks in Berlin

Pressekonferenz zu den #TTIPleaks im Berliner Spionagemuseum mit Volker Gassner und Jürgen Knirsch von Greenpeace Deutschland sowie Markus Beckedahl von netzpolitik.org und dem Datenschutzexperten Alexander Dix (von links).

TiSA, CETA und TTIP: Abkommen für die Wirtschaft

TiSA soll den Dienstleistungssektor deregulieren. Arbeitsrecht, Umweltstandards und Verbraucherschutz: Mit TiSA könnte all das zu störenden Handelshemmnissen erklärt werden. Das Abkommen ebnet Unternehmen den Zugang zu Märkten, die vielfach noch in öffentlicher Hand liegen – wie etwa der Bildungssektor oder das Gesundheitswesen.

Ist TiSA also die kleine Schwester von TTIP und CETA? Eher so etwas wie der garstige Bruder: Den Konzernen hörig und blind für Bürgerrechte und Demokratie. Die EU muss TiSA und auch CETA in der jetzigen Form deshalb unbedingt ablehnen!

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese E-Mail zu lesen! Wir werden Sie natürlich weiter über wichtige Entwicklungen rund um TiSA, CETA und TTIP auf dem Laufenden halten! Ihr

Jürgen Knirsch,
Handelsexperte Greenpeace Deutschland

Jahrgang 1948, werde ich auf dem Gut Groß-Below in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Nach der Flucht aus der DDR, lande ich mit meinem Vater, einem Hochbauingenieur, meiner Mutter und deren Mutter über mehrere Stationen, in Rheinland-Pfalz und der Eifel, schließlich im Ruhrgebiet...

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