Von Aggressionen und Wutausbrüchen

Plötzlich sind die Wechseljahre der Frau in den Medien, nach langem und hartnäckigem Ignorieren. Ich frage mich, warum nicht schon eher?
Gestern las ich zum Beispiel auf der Titelseite der, von mir seit zwanzig Jahren abonierten und seit vierzig Jahren gelesenen, Zeitschrift Brigitte die Schlagzeile: Tabuthema Wechseljahre – Wie es wirklich ist. Was wirklich hilft.
Toll, dachte ich gedämpft begeistert, endlich wagen sie sich an den Speck, bewegen sich nicht mehr an der ungefährlichen Oberfläche, wie schon so oft. Endlich haben sie mehr Mut zur Realität. Ich wurde jedoch beim Lesen von Artikel zu Artikel, das gesamte Dossier ist etwas umfangreicher, von Zeile zu Zeile enttäuschter. Der Haupttenor lag mal wieder auf: Wie schaffe ich es die Wechseljahre rumzukriegen, ohne mich und die anderen merken zu lassen, dass ich sie habe?
Eine Frau Ende vierzig berichtete von ihren Stimmungsschwankungen und gelegentlichen Wutausbrüchen, die sie ihrem Mann und ihrer neunjährigen Tochter nicht zumuten wollte und sich aus diesem Grund jetzt hormonell behandeln läßt.
Ich frage mich, was spricht dagegen, zu seinen Gefühlen zu stehen? Warum sollte man Wut, ob sie nun durch die Wechseljahre bedingt sind oder nicht, nicht zeigen dürfen? Was ist schon schlimm an ein paar Tellern oder Tassen, die durch die Gegend fliegen? Nicht nur Kinder und Partner haben ein Recht auf Wut. Wut ist nicht nur destruktiv, sie kann auch reinigen und Wut oder andere massive Gefühle haben immer einen realen Hintergrund, der betrachtet werden möchte. Es wäre fatal, sie mit was auch immer zu unterdrücken. Es würde nur auf ein Verschieben der Probleme hinaus laufen. Irgendwann kommen sie leider durch die Hintertür wieder hinein. Also raus mit ihnen und sich dranmachen, dass was Wut macht zu beseitigen und zu ändern. Probleme lassen sich nicht einfach zum Verschwinden bringen, wenn man sich ein paar Ersatzhormone einpfeift. Wechseljahre sind nun mal ein Langzeitprojekt. Es ändern sich peu à peu die Prioritäten von Frau und dies nicht von Ungefähr, denn auch ihre Hormonzusammensetzung verschiebt sich, vom größeren Östrogenanteil zum größeren Testosteronanteil. Zwangsläufig erhöht sich dadurch auch ihre Aggressivität und ihr Wunsch sich durchzusetzen. Sich anzupassen und nachzugeben ist nun zweitrangig.
Es kann nun durchaus möglich sein, dass soviel Durchsetzungswunsch oder Willen den Herren der Schöpfung gegen den Strich geht, doch was soll’s?
Ich finde es weitaus gesünder für Frauen, ihre aggressiven Anteile zu leben, als sie auf Teufel komm raus bis zum Ende ihrer Tage zu verstecken.
Übrigens, dieser größere Durchsetzungswillen ist Garant zur Selbstverwirklichung, auch mal ihre eigenen, nicht nur die Träume und Vorstellungen des Partners in die Tat umzusetzen.
Die Vorstufe dafür ist Wut, die Stimmungsschwankungen und auch die Traurigkeit. Die ganze Palette an Gefühlswirrnissen, die Frau in den Wechseljahren erlebt und die auch ich gelegentlich immer noch erlebe.
Ich mute meiner Umgebung zu, dies zu ertragen, genau wie ich es auch selbst ertragen muß.
Im Übrigen sind an mir auch seinerzeit nicht die seelischen Auswirkungen der Pubertät meiner Tochter und die meines Sohnes, (die sich gerade auf dem Höhepunkt befinden) vorbei gegangen. Also kann ich wohl mit recht erwarten, dass sie auch mich ertragen.
Es ist im Übrigen recht erstaunlich, dass bisher kein Mittel gefunden wurde, oder sich darum bemüht wurde eins zu finden, um die Auswirkungen der Pubertät für alle Beteiligten zu mildern.
Ich finde es nur Recht und billig, dass Frauen in den Wechseljahren sich, wenn nötig, seelisch genauso austoben können, wie ihre Kinder, ohne dass dies mit Naserümpfen und Augenbrauenerheben von unserer Gesellschaft bedacht wird –
Wie ist es um die Chefredakteure/Innen unserer Frauen Zeitschriften bestellt, wenn sie immer noch nicht den Mut haben, die Dinge so zu fokussieren und zu schildern, wie es der Realität entspricht?

11 Kommentare

  • Lena Maria

    Hallo Frau Wenzel-Winter, jawohl, Wut muss raus, nur wo rauslassen? Meine Wut richte ich leider gegen mich selbst. Ich überlege gerade, ob ich mir einen Sandsack aufhänge. Und es stimmt, seit ich in den Wechseljahren bin, erlebe ich Depressionen und Aggressionen, wobei ich Aggressionen wesentlich schlimmer empfinde. Der Druck innerlich ist schon sehr, sehr groß.

    Liebe Lena Maria,

    ich kann Ihre Empfindungen gut nachvollziehen, jedoch ist es besser Agressionen nicht nach innen zu richten, das macht nämlich krank, dann lieber einen Sandsack kaufen und “gib ihm” drauf ein boxen. Allerdings richtet sich Ihre Wut doch nicht eigentlich auf den Sack und es wäre besser sich einzugestehen, was oder wer tatsächlich Wut macht. Wechseljahre sind eben auch eine Zeit in der man das sollte und auch kann, die Agressionen geben uns die Kraft dazu. Das bringt uns dann ein Stück näher zu uns selbst!

    Also alles Gute und viel Mut und Kraft zum ” Umsichboxen”

    Herzliche Grüße
    Barbara Wenzel-Winter

  • Thomas

    Ich frage mich schon, warum muss man sich behehmen wie ein pubertärer Teenager wenn man doch Verstand hat oder haben sollte.
    Jeder Mensch sollte doch Rücksicht dahingehend nehmen, dass er seine Launen im Griff hat.

    • Barbara

      Ich glaube nicht, daß Sie sich als Mann in die Psyche und die körperlichen Beschwerden einer Frau im Klimakterium hineinversetzen können, wenn sie es könnten, hätten sie diese Zeilen nicht geschrieben!

  • Hans

    Ich finde es entlarvend, dass Sie einerseits Mittel für Pubertierende zur Ruhigstellung fordern und andererseits die Einnahme solcher Mittel durch Frauen in den Wechseljahren ablehnen. Messen Sie hier vielleicht mit zweierlei Maß. Das scheint für Frauen in den Wechseljahren aber nicht untypisch zu sein. Meine Frau ist in den Wechseljahren aggressiv, selbstsüchtig, herrisch und uneinsichtig geworden. Eigentlich ist sie unerträglich für uns als Familie. Reden kann man mit ihr nicht, weil sie kein Wort sagt. Sie hat mittlerweile mehrere Therapeuten verschlissen und ist aus der Paartherapie ausgestiegen, weil sie den unberechtigten Verdacht hatte der Paartherapeut würde mit mir gemeinsame Sache machen. Meine Frau ist in den Wechseljahren wirklich eine Zumutung. Sie redet kein Wort mehr seit Monaten. Wie soll man da einen gemeinsamen Nenner finden. Die Männer und die Kinder sind bei uns sicherlich genauso Leidtragende wie meine Frau. Es gibt immer zwei Seiten.

    • Barbara

      Selbstverständlich gibt es immer zwei, wenn nicht mehrere Seiten. Aber auch für Männer, mit den von ihnen beschriebenen Charaktereigenschaften, gibt es wohl kaum eine medikamentöse Ruhigstellung!
      Wenn Ihre Frau vor den Wechseljahren vollkommen andere Charakterzüge aufwies, wird dieser jetzige Zustand ein Vorübergehender sein und er wird sich irgendwann im Normalen einpendeln. Allerdings kann es auch sein, daß Ihrer beider Problem nicht allzuviel mit den Wechseljahren Ihrer Frau zu tun hat, es also vor dieser Zeit schon bestanden hat.

  • Thomas

    Tut mir leid , dass mein Kommentar gelöscht wurde. Wahrscheinlich war er der Realität näher als es die Autorin des Blogs wahrhaben wollte.

    • Barbara

      Nein, Ihr Kommentar war mitnichten der Realität zu nahe, er war meines Erachtens nur voll daneben!
      Ich versuche Frauen in den Wechseljahren Mut zu machen und ich möchte Ihnen nicht Klischees zumuten, mit denen sie in unserer Gesellschaft ohnedies ständig konfrontiert werden!

  • Cornelia

    Hallo,

    ich finde es erstaunlich, dass auf dieser Seite so viele Männer mitreden (wollen!). Für mich sieht es so aus, dass sie sich durch Ihre “Gedanken zum Umgang mit Wechseljahren der Frau” richtig bedroht fühlen. Plötzlich nehmen Frauen typisch männliche Eigenschaften für sich in Anspruch. Typisch auch, dass Aggression bei Männern eher positiv (Durchsetzungsvermögen, der weiss was er will ….) bewertet wird. Bei Frauen in den Wechseljahren, die aggressiver und dadurch selbstbewusster werden, wird das häufig (von Männern) als zickig, “Mannweib”, oder mit solchen Kommentaren wie “die müsste mal wieder richtig … werden, schon lange keinen Sex mehr gehabt…” abgetan. Ich glaube solche Männer sind im omnipotenten Jungenstadium steckengeblieben und fühlen sich einfach nur unwohl bei so viel selbstbewusster und starker Weiblichkeit. Da wollen die schon mal Mundtot machen. Problem gelöst.

    Liebe Barbara, deine Gedanken haben mir sehr weiter geholfen. Ich war auch gerade auf der Suche nach “Etwas” zum Abschwächen der Aggressionen, die derzeit in mir toben. Nun rede ich lieber mit meiner Familie: “ich bin heute ziemlich aggressiv, nicht wundern, wenn ich mal ausflippe”. Hab ich gemacht und gerade mein Tochter, die selber in der Pubertät steckt, hat mich verstanden (mein Mann übrigens auch).
    Toll! Wie doch einfache Vorschläge manchmal Teil der Lösung eines großen Problems sein können. Danke.
    Liebe Grüße
    Cornelia

    • Barbara

      Freut mich außerordentlich, daß ich Dir weiterhelfen konnte Cornelia!
      Doch, Männer scheinen sich öfter mal durch meine Blogbeiträge provoziert zu fühlen, vor allem durch den Beitrag zum Thema Agressivität! Macht nix, drum ist es nicht weniger wahr!!!!!!

      Herzliche Grüße
      Barbara

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